Der heiße Blick

Mai 28, 2023 MeetMaTria

Einer der vielen Prägungen. Er ist so selbstverständlich und weit verbreitet, dass man meinen könnte, es gäbe eine Schule, wo man ihn lernt. Frau weiß, wie man guckt. Auch ich beherrsch- t – e diesen Blick – als Sängerin guckt man eben so.

Konditioniert auf lieb und nett sein reicht noch nicht, es muss auch hier und da´heiß´ aussehen.

Sexy Körperhaltung und Blick reinzoomen, Filter drauf um alles was zur Vergänglichkeit gehört weg zu retuschieren – fertig ist das Foto. Nicht zu verwechseln mit einem erfüllten Sexualleben. Wenn ein Foto gemacht wird – oder ich es selbst von mir mache –  bin ich selten geil in dem Moment – aber so zu tun und so zu gucken klappt eben auch auf Abruf.

Gerade frisch dem Kindsein entwachsene junge Frauen posten auf social media drauf los was das Zeug hält: „Jetzt bin auch ich eine Frau, und ich bin heiß“ – und nach wie vor ´lieb´ – sogar zu den Borrelien. Schwer auszuhalten wenn Frauen, die schlimmste Migräne haben, sich die Beine brechen, Depressionen haben etc. und  immer noch ´lächeln´.

Nicht zu verwechseln mit Freundlichkeit. ´Lieb lächeln´ verrät die Bedürftigkeit, den Mangel an Kraft und das Nicht Wissen um die eigene Stärke.

Es täte uns Frauen gut, aufzuwachen – besonders in Zeiten von metoo und Geschichten á la Lindemann & Co. Im Amazonas klärt man seine Kinder auch über die Giftschlangen auf, also über die tatsächlichen Gefahren. Man schürt keine Angst, aber man sagt ihnen: „Wenn du der begegnest, musst du das und das tun.“ Wie wäre es, wenn man unseren Töchtern sagt, was unsere Giftschlangen und Gefahren sind und sie dementsprechend vorbereitet und stark macht. Wenn statistisch gesehen ca. 70% der Männer regelmäßig gewaltverherrlichende Pornos konsumiert, was macht das wohl mit deren Frauenbild? Oder ein Mann, der aus einem Bordell oder Bordoll kommt (hier werden Silikon Puppen so übel zugerichtet, dass die Reinigungskräfte sich teilweise übergeben mussten).  D.h., die Hemmschwelle geht immer weiter runter. Und diese Männer, die soeben aus besagten Einrichtungen kommen, sehen danach eine Frau mit Respekt und Achtung an?

Im Zuge meiner langen Recherche, was das FrauSein und die sog. ´Vorgeschichte´ angeht fiel mir auf, dass die Frauen, die sich für ein selbstbestimmtes Leben aufgemacht und den Mut hatten, über den Tellerrand zu schauen, die eigenwillig waren und auf Konventionen pfiffen, nie diesen ´heißen´ oder ´lieb von unten´ Blick hatten; sie schauten einfach geradeaus und wollten gar nicht ´wirken´ und gemocht werden.  Mussten sie auch nicht, sie waren ja unabhängig, sie sind das geworden was sie – meist trotz heftigem Gegenwind – werden wollten. Ihren geraden Rücken, findet man auch in ihrem Blick wieder – und ihre Würde.

Vielleicht macht es gerade deshalb so traurig, wenn Frauen ´freiwillig und selbstbestimmt´ diese unsichtbaren `Regeln` weiterführen, nicht innehalten und sich fragen, warum sie sich so präsentieren und was sie eigentlich damit sagen wollen – es ist zu normal und wird mit TV-Formaten á la GNTM noch zur Perfektion getrieben.

Hier können (müssen) junge Frauen sogar noch unter Wasser, luftanhaltend (ohne Blubberbläschen!) – teilweise traumatisiert was das Ertrinken angeht – in sexy Wäsche ´heiß´ gucken. Sie machen es ja auch freiwillig – schliesslich kann nur eine…!

Und natürlich ist GNTM nur eine von vielen Formaten. Die (Medien)Welt ist voll davon.

Luisa Francia beschreibt in ihrem Buch ´Der wilde Blick´ eine Szene nachts in der S- Bahn. „Der Wagen ist leer. (…) Ein Mann taucht hinten zwischen zwei Sitzen auf. Er starrt mich an. (…) Ich gehe auf ihn zu und tue, was in Sizilien „jettare il malocchio“ genannt wird. Ich werfe einen Blick der Macht auf ihn. Er kennt das offensichtlich noch nicht. Wir sprechen kein Wort, aber er steigt in Panik an der nächsten Haltestelle aus.“ (hierzu sei gesagt, dass dieser Blick der Macht nur funktioniert, wenn du die Macht in dir hast und spürst. Wenn dem nicht so ist und du nur einfach irgendwie ´böse´ guckst,  gehts nicht. Deine Haltung und Entschlossenheit sind entscheidend).

Der Blick der Macht, der wilde Blick, ist den zivilisierten westlichen Frauen weggezüchtet worden, das brainwashing läuft, funktioniert gut und wir merken es nicht einmal.

Jede Frau kann doch heute machen, gucken, anziehen, was sie will – oder etwa nicht? Oder wie Hedy Lamarr treffend sagte: ´Jedes Mädchen kann glamourös sein. Du musst nur still stehen und dumm gucken´.

Hedy Lamarr war Schauspielerin, einst schönste Frau der Welt u n d Erfinderin. Letzteres ist nicht -bis wenig bekannt, was seine Gründe hat. Ihre Erfindung des  ́frequency hopping ́ dient heute als Basis für WLAN, Wi Fi, Bluetooth und GPS. Das Militär ließ das Patent im 2.Weltkrieg verschwinden. Eine Filmemacherin hat unentdeckte Tonaufnahmen 2016 wiederentdeckt und ihre wahre Geschichte verfilmt:´Geniale Göttin ́.

Wenn ich doch die Wahl habe, wieso wähle ich dann ´dumm gucken´ und lieb sein?