Mein Weg zur Sterbeamme – Seelenamme

Juni 23, 2021 MeetMaTria

Als ich zum ersten Mal erfuhr, dass es neben der Hebamme auch eine ´Sterbeamme´(in Amerika, England ´Death Doula´ oder ´Death midwife´) gibt, wurde mir warm ums Herz. Nicht dass ich Angst vor dem Tod hatte, aber mir wurde sehr unbehaglich bei der Vorstellung, in unserer Zeit und Kultur sterben zu müssen. Es ist unser Umgang mit dem Tod, der mich erkalten lässt. Und so folge ich auch nun meinem Ruf…:

Ohne zu wissen, wie man das nennt, habe ich bei meiner Oma, die nach einer langen qualvollen Zeit zu Hause gestorben war, Totenwache gehalten. Was ich im Nachhinein sehr wertvoll empfand – damals tat ich es intuitiv und allein – mit 3 Kerzen dabei.

Am Abend vor der Nacht, in der sie starb, habe ich ihr ins Ohr geflüstert: „Gott ist bei dir – hab´ keine Angst – du kannst ruhig gehen“. Meine Oma war eine gläubige Frau und ich wusste, diese Worte würden sie beruhigen. Ebenfalls habe ich damals, ich war 25 Jahre alt, mal im tibetanischen Totenbuch gelesen, dass das Gehör das Letzte ist, was geht, denn ansprechbar war sie zu diesem Zeitpunkt nicht mehr.

Meine Oma war eine sehr liebevolle Frau und auch sehr unselbstständig – sie lebte eine für diese Zeit typische Ehe, eine Abhängigkeitsverbindung. Als ihr Mann starb, spürte ich deutlich, dass sie nicht mehr leben wollte, was jedoch als etwas Unausgesprochenes über allem schwebte, denn alles ging nun seinen Gang.

Sie bekam plötzlich einen Hirntumor, war nicht in der Lage zu kommunizieren, was ihre Vorstellung der Behandlung oder ihrer Zukunft, Wünsche, Bedürfnisse sind, sie traf keine Entscheidungen; das hatte sie in ihrem Leben nicht gelernt. Sie hatte abgeschaltet und ließ es geschehen und alle um sie herum machten und entschieden nun.

Mit einer fast blinden Betriebsamkeit fand verzweifelt das übliche Szenario statt: Chemo Therapie, Medikamente, ein langer Sterbeprozess, Uneinigkeit unter den Geschwistern, was sicher auch nicht gerade dazu beigetragen hat, einen friedlichen Abschied zu bereiten.

Hätte es damals schon Sterbeammen gegeben und ich davon gewusst, wäre es sicher eine große Hilfe und Erleichterung gewesen und die Dinge wären anders abgelaufen.

Aber gestorben wird – so oder so – das ist das Einzige, was sicher ist.

Dies ist kein Einzelfall  – und angesichts der vielen Erzählungen von Mitmenschen, wie bei ihnen gestorben wird, allein in Altenheimen, Krankenhäusern, künstlich beatmet, ungeklärtes etc. stellt sich die Frage, was ist/war das eigene Leben wert, wenn ein solcher Tod und Abschied vom Leben und meinen Nächsten auf mich wartet.

Was braucht es – wenn Medikamente, Tavor und Haldol und solche Einrichtungen keine wirkliche ´Hilfe´ und Antworten mehr sind, wenn man ´austherapiert ´ ist und wenn klar ist, dieses Leben ist dabei sein Ende zu finden?

Wer kann angesichts dieser Situation Tacheles reden, das Unausgesprochene aussprechen, Klarheit schaffen, eine helfende, warme, liebevolle, kraftvolle und unterstützende Hand sein, die nichts umhaut – im Angesicht des Todes – des Sterbens?

„Ja, aber woher willst du wissen, dass das Leben zu Ende geht, vielleicht geht es ja doch weiter“, …fragst du.

Ich bin mir sicher: jemand, der -nahezu- keine Angst vor dem Tod hat, bzw. der einen eigenen Zugang zu diesem Thema gefunden hat, der nicht nur im Kopf weiß, dass wir sterben werden und müssen – der das akzeptieren kann und handlungsfähig bleibt, der die Sterbephasen kennt und die Anzeichen deuten kann – wird den Unterschied erkennen und wissen, wann es Zeit ist zu gehen oder zu bleiben, und dementsprechend handeln und vorbereiten – mit dem größtmöglichen Frieden für alle Beteiligten.

Nicht zuletzt hat das Leben selbst, die vielen Umbrüche, Krisen und Verluste in meinem Leben und der Umgang damit, mich geschult und gestärkt; zu meiner 2 jährigen Ausbildung zur Sterbeamme nach Claudia Cardinal, mit der ich meinem Ruf und Intuition folge.

Meine 3 Kinder, die ich auf natürlichem Weg zur Welt gebracht habe, meine letzte Tochter war eine Hausgeburt – haben mich ebenfalls ´eingeweiht´; so wollte ich nach jeder Geburt auch Hebamme /Doula werden und anderen Frauen helfen. Für mich war jede Geburt mehr , bzw etwas ganz anderes als ein linearer Vorgang, der sich messen und fixieren lässt. Der Tod ist ´nur´ die andere Seite der Medaille.

Keinesfalls will ich den Tod schön reden – es ist ein großer Schmerz einen geliebten Menschen zu verlieren; deshalb ist das trauern und sich die Zeit dafür geben auch so wichtig. Ein großer Schmerz – aber/ und auch die Möglichkeit für ein spirituelles Erwachen.(Eckart Tolle)

Menschen an meiner Seite zu wissen, die mich kompetent und mit Herz und Verstand begleiten können und mein eigener Umgang damit, ermöglichen mir einen anderen, sinnvolleren Blick sowohl aufs Leben – als auch auf den Tod. So ist eine Sterbeamme auch eine Lebensamme. So will ich Menschen, die in einer großen Lebenskrise stecken auch zur Seite stehen.

“Show me the manner in which a nation cares for the death, and I will measure with mathematical exactness the tender sympathies of the people, their respect for the law of the land and their loyalties to high morals.” Sir William Gladstone